Partnerschaft
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Streit: Glücklicher, wenn’s kracht?

Früher dachte man, ein Krach zwischen Liebenden sei eine temperamentvolle Art der Beziehungshygiene. Heute weiß man, dass sich Streit destruktiv auf eine Partnerschaft auswirken kann

So einfach geht Streit: Sie kommt nach Hause und stellt entnervt fest, dass seine Socken schon wieder auf dem Boden liegen und der Fernseher in Ohren betäubender Lautstärke läuft. Was dann kommt, ist eine Kanonade an Vorwürfen ihrereits: "Kannst du nicht endlich mal aufräumen?" oder "Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, den Fernseher nicht so laut zu stellen!" Gefolgt von Gegenangriffen von seiner Seite: "Jetzt stell dich nicht so an" oder "Dafür verstopfen deine Haare den Badewannenabfluss!" Und schon ist man mitten drin im schönsten Krach...

Klärendes Gewitter?

Noch in den 1970er Jahren wurde vielfach die Meinung vertreten, dass so ein klärendes Gewitter ja gar nicht schaden würde. Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiß man, dass dem nicht so ist. Warum ein Streit wie in unserem Beispiel nichts bringt, erklärt Professor Kurt Hahlweg vom Institut für Psychologie an der Technischen Universität Braunschweig: Die Frau macht dem Mann Vorhaltungen, weil er sein Verhalten nicht ändert. "In der Kommunikationspsychologie bezeichnen wir diese Vorwürfe als Äußerungen indirekter Gefühle. Die Frau hat negative Emotionen und äußert diese in so genannten Du-Botschaften," so Hahlweg. Das ist kontraproduktiv. Würde die Frau vielleicht sogar weinen, hätte der Partner die Möglichkeit mit einem "Jetzt hör mal auf mit der Heulerei" zu kontern.

Streit hinterlässt Narben

Wenn sich Frust anhäuft, reagieren Menschen oft aggressiv. Das äußert sich in  persönlichen Angriffen, der Abwertung des anderen oder gar in Entzug von Liebe. Das Problem ist oft, dass Dinge gesagt werden, die man zehn Minuten später wieder bereut. So eine Verletzung kann auch durch eine Entschuldigung im Nachhinein nicht mehr vollständig geheilt werden. „Und so kommen über die Jahre bei jedem Streit immer wieder kleine Verletzungen hinzu,“ so Hahlweg. „Bis man irgendwann hunderte von Narben hat.“

Auch dem Psychologen ist natürlich klar, dass sich Streit nie vermeiden lässt. Es kommt immer zu Konflikten in der Partnerschaft. „Aber die Empfehlung zu geben, dass man aus klärenden Gründen oder um die Atmosphäre zu reinigen mal streiten soll, ist nicht richtig.“

Streitwurzeln in der Kindheit

Wieso packen wir unseren Ärger in Beschimpfungen oder Kränkungen und nicht in eine gesunde Kommunikation? Professor Hahlweg sieht die Wurzeln hierfür unter anderem in der Kindheit: „Jeder kennt das von früher: Die Mutter sagt, man soll sein Zimmer aufräumen, aber man hört nicht drauf. Bei der dritten Aufforderung schimpft Mama dann schon und droht mit Konsequenzen.“  Erst als sie streng wird, reagieren wir. Wir haben also gelernt, dass ein scharfer Ton, böse Blicke und harte Worte Erfolg haben und wirken. Dieses Muster nehmen wir mit in unser Beziehungsleben.

Strategien entwickeln

Es nützt nichts, sich vorzunehmen, nie wieder zu streiten. Denn eine langjährige Beziehung ohne Krisenzeiten – mehrere sind wahrscheinlich – ist kaum vorstellbar.  Entscheidend ist, sich seinem Verhalten und Umgang miteinander bewusst zu werden. Wie lösen wir Konflikte in der Partnerschaft? Wie äußere ich meine Bedürfnisse? „Wer auf dem Standpunkt beharrt, dass sich zuerst der Partner ändern muss, bevor man es selbst tut, der wird seine Beziehungsprobleme nicht lösen," so der Psychologe. "Das Fatale dabei ist nämlich, dass dann beide Partner darauf warten, dass der andere den Anfang macht, und sich deshalb gar nichts bewegt.“

Eine Paartherapie ist eine Möglichkeit, um Strategien zu entwickeln, Streitsituationen besser bewältigen zu können. Partner lernen dort, sich zu öffnen, ihre weichen Gefühle zu zeigen und dem anderen Part zuhören. „Die Idee dahinter ist, Paaren frühzeitig Kompetenzen zu vermitteln, um Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen und die Partnerschaftszufriedenheit langfristig zu stärken,“ so Hahlweg.

Am besten präventiv

Laut dem Experten macht es Sinn, Partnerschaftsprobleme zu behandeln, wenn das Paar noch glücklich ist oder sich in einem frühen Konfliktstadium befindet. Eine dieser präventiven Interventionen stellt das so genannte Partnerschaftliche Lernprogramm (EPL) dar, welches von Hahlweg mitentwickelt wurde. Hier lernen Paare anhand von Sprecher- und Zuhörer-Regeln, Gefühle offen anzusprechen, Erwartungen verständlich auszudrücken, einander zuzuhören und zu verstehen.

Mit Erfolg: Im Rahmen einer Studie wurden ausgewählte Paare im Abstand von elf Jahren befragt. Von den Paaren, die sich vor elf Jahren auf ein EPL-Coaching eingelassen hatten, waren 26 Prozent getrennt. Von der Vergleichsgruppe, die die EPL-Teilnahme aus verschiedenen Gründen abgelehnt hatte, waren 56 Prozent kein Paar mehr.

(Autorin: Sandra Schmidt; Quelle: gesundheitpro.de)

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