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Stöhnen, Röcheln, Aus! Plötzlicher Herztod nach Sex: seltene Ursache entdeckt

Spurensuche nach den Ursachen des plötzlichen natürlichen Tods nach sexuellen Aktivitäten...

Dr. Fred Zack arbeitet seit nahezu 25 Jahren in der Rostocker Rechtsmedizin. Er ist spezialisiert auf das Klären von Ursachen bei plötzlichen, unerwarteten Todesfällen, bei denen auch nach der Obduktion und einer Giftanalyse zunächst keine Todesursache ausgemacht werden kann. Fast alle diese Fälle aus Mecklenburg landen auf seinem Tisch.

Rätselhafter Todesfall eines 37-jährigen Schweden, der mit seiner Freundin nach langer Autofahrt in Mecklenburg ein paar fröhliche Stunden verbringen wollte. Erst heizte er sich mit Glühwein, Tequila und Bier auf, dann fanden die beiden Gefallen aneinander. Dabei kollabierte er und starb. Die Obduktion fand keine Todesursache, der Rostocker Rechtsmediziner Dr. Fred Zack aber wurde nach langwierigen Spezialuntersuchungen des Reizleitungssystems fündig: Eine fibromuskuläre Dysplasie der Sinus-und insbesondere der AV-Knotenarterie.

Der plötzliche Tod bei sexuellen Aktivitäten hat verschiedene Ursachen, kardiale und zerebrale Erkrankungen stehen jedoch im Vordergrund, schreibt der Rechtsmediziner Dr. Zack vom Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Rostock.

„In den meisten Fällen finden sich eine stenosierende Koronarsklerose und postischämische Myokardnarben, seltener sind Subarachnoidalblutungen, intrazerebrale Blutungen, Aorten- oder Gefäßprothesenrupturen, Myokarditiden oder die Dissektion einer Koronararterie“.

Im Falle des verliebten Schweden traf dies alles freilich nicht zu. Die Obduktion mit den üblichen Spezialuntersuchungen fand nichts außer einem Alkoholspiegel von 1,07 Promille. Keine Todesursache also?  Ein unlösbares Rätsel? Das ist zwar  irritierend und unbefriedigend, kommt  aber immer wieder vor.

Spezialist für ungeklärte Fälle 

Für Zack war das eine Herausforderung, er nahm sich des Falles nochmals an wie er es schon einige Male getan hat bei ungeklärten plötzlichen Todesfällen.

„Wir haben in Rostock binnen 20 Jahren 15 scheinbar nicht aufzuklärende Todesfälle lösen können und sind in acht Fällen auf eine bis dahin nahezu unbekannte Ursache für den plötzlichen Herztod gestoßen“, berichtet er. 

Alles schien normal, der Tod hatte scheinbar keine Ursache 

Den Casus des 37-jährigen Schweden hat er mit allen anamnestischen und histologischen Details publiziert. Die Partnerin schilderte die Ereignisse  unmittelbar vor seinem Tod so: „Die sexuellen Handlungen hatten länger gedauert als sonst. Plötzlich habe er geröchelt und sei auf ihren Oberkörper gefallen. Als sie das Licht angemacht habe, sei er im Gesicht ganz weiß gewesen und habe blauviolette Lippen gehabt. Die vom gerufenen Notarzt fortgeführten Reanimationsmaßnahmen blieben erfolglos“. 

Obduktion zunächst ohne Befund 

Die angeordnete Obduktion  brachte zunächst keinen Befund, der die Todesursache hätte erhellen können. Dr. Zack: „Bei der gerichtlichen Obduktion konnte zunächst keine Todesursache festgestellt werden. Ein Lungenödem, eine Hyperämie und eine Zyanose der parenchymatösen Organe deuteten im Zusammenhang mit der Vorgeschichte auf einen akuten Herztod. Das Herz war nicht hypertrophiert (380 g bei 178 cm Körpergröße und 79 kg Körpermasse). Die drei Hauptäste der Koronararterien zeigten eine diskrete Atheromatose.

Nachdem auch die Routinehistologie und die toxikologisch-chemischen Untersuchungen keinen todesursächlichen Befund erbracht hatten, wurden bei den Serienschnitten des kardialen Erregungsbildungs-und Erregungsleitungssystems eine fibromuskuläre Dysplasie der Atrioventrikular-(AV‑)Knotenarterie und einzelner kleinkalibriger Koronararterien sowie fadenförmige Faserresiduen im Abgangsbereich des linken Bündelschenkels festgestellt“. Der Vollständigkeit halber prüfte man in der toxikologischen Untersuchung neben dem Alkoholspiegel auch, ob der junge Tote Sildenafil (Viagra®) eingenommen hatte, das war nicht der Fall. 

Den plötzlichen Herztod begünstigende Faktoren 

Die Frage nach dem Todesmechanismus deutet Zack so: „Als Todesmechanismus sind am ehesten ischämisch bedingte Herzrhythmusstörungen anzusehen. Das Auftreten derartiger Arrhythmien kann sowohl durch eine alkoholische Beeinflussung als auch durch den bei sexueller Aktivität regelmäßig anzunehmenden Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz begünstigt werden“.

Selten aber tödlich: Fibromuskuläre Dysplasie

Die fibromuskuläre Dysplasie ist nach Zack eine nicht atheromatöse, nicht-entzündliche, segmental stenosierende Erkrankung der Arterien, deren Ätiologie bis heute ungeklärt ist. Sie ist durch fibröse oder fibromuskuläre Wandverdickungen gekennzeichnet und kann die Intima, die Media und/oder die Adventitia betreffen. In vielen Fällen findet sich eine Destruktion der elastischen Fasern der Gefäßwand. Pathogenese und Zeitpunkt der Entstehung sind bisher unbekannt. Diskutiert werden genetische Ursachen, Virusinfektionen während der Embryogenese, Stoffwechselstörungen, hormonelle Einflussfaktoren, Hypertension und Nikotinabusus.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die fibromuskuläre Dysplasie der Sinus-und insbesondere der AV-Knotenarterie offenbar häufiger vorkommt, als bisher im Schrifttum angenommen wurde. Dabei ist vorwiegend das männliche Geschlecht im Alter von 0,4–37 Jahren betroffen.

Die praktischen Konsequenzen 

Beim plötzlichen natürlichen Tod im Zusammenhang mit sexuellen Aktivitäten sollte eine fibromuskuläre Dysplasie der Koronararterien in Betracht gezogen werden. Sie kann, so Zack, Ursache eines plötzlichen und unerwarteten Todes im jüngeren und mittleren Lebensalter sein. Im Herzen ist die AV-Knotenarterie bevorzugt betroffen. Die Konsequenz für die Rechtsmediziner: „Deshalb sollte bei allen plötzlich und unerwarteten Todesfällen, bei denen die Obduktion und die routinemäßig durchgeführten Zusatzuntersuchungen keinen todesursächlichen Befund erbracht haben, die Umstände aber auf einen Herztod deuten, das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem histologisch aufgearbeitet werden“.

8.3.2011 16:00 Autor: Dr. med. Jochen Aumiller Quelle: Cardiovasc 2011; 2 online first basierend auf: Pressemeldung der Universität Rostock vom 19.1. 2011.  F. Zack · J. Rummel, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum, Rostock; Plötzlicher Tod bei sexueller Aktivität; Rechtsmedizin 2008, 18:257–259


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