Titelthema

Und plötzlich steht der Körper Kopf…

Viele Frauen haben so ihre Probleme mit den Wechseljahren. Nach einer asetzen diese meist mit unvermittelter Heftigkeit ein. Neben zahlreichen Beschwerden haben Betroffene oft auch noch mit sexueller Lustlosigkeit zu kämpfen

Bei manchen Frauen beginnt es mit plötzlichem Haarausfall. Andere haben auf einmal mit unerklärlichen Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen zu kämpfen. Wieder andere wundern sich über eine rapide Gewichtszunahme oder eine ungewöhnlich trockene Scheide. Es sind Symptome, die alle möglichen Ursachen haben könnten. Und so dauert es meist eine ganze Weile, bis diese Frauen realisieren: ihre Wechseljahre haben begonnen. Ihr Körper beginnt, seine Östrogenproduktion zurückzufahren, und auch das Testosteron nimmt weiter ab – mit den unterschiedlichsten Folgen für das Wohlbefinden. Oft wird die hormonelle Umstellung als Belastung empfunden. Doch auch wer mit den „Nebenwirkungen“ der Menopause gut klarkommt, spürt: Mein Körper befindet sich in einer Phase des Wandels.

Entlastend wirkt sich in der Regel aus, dass die Wechseljahre ein langsamer, allmählicher Prozess sind. Viele der typischen Beschwerden treten nur zeitweise auf und verschwinden immer mal wieder. Vom ersten Anzeichen bis zum Ende der Wechseljahre vergehen meist viele Jahre, in denen die Frauen Zeit haben, sich an die hormonelle Umstellung in ihrem Körper zu gewöhnen.

So ist es kaum vorstellbar, wie belastend, ja schockierend es sein muss, diese Lebensphase binnen weniger Tage durchzumachen. Doch genau dies ist es, was Frauen nach einer Totaloperation erwartet. Nach einer Entfernung von Gebärmutter und/oder den Eierstöcken erleben sie die Wechseljahre im Zeitraffer. Östrogen- und Testosteronwerte sinken schlagartig ab – und lösen oft zahlreiche der bekannten Beschwerden auf einmal aus. Fachleute sprechen von der „chirurgisch bedingten Menopause“.

Da viele Frauen die Operation ohnehin als schweren Einschnitt empfinden, kommen sie mit den physischen und psychischen Folgen besonders schwer klar. Um diese abzufedern, ist eine Hormonersatztherapie nach einer Totaloperation inzwischen Standard. Doch leider reicht sie in vielen Fällen nicht aus. Internationale Studien belegen: Trotz der Gabe von Östrogenen haben viele betroffene Frauen mit sexueller Lustlosigkeit zu kämpfen. Sie denken weniger an Sex und sie haben auch seltener welchen. Auch die sexuelle Erregbarkeit und die Fähigkeit, einen Orgasmus zu erleben, sinken ab.

Auswirkungen, die besonders jüngere Frauen als bedrückend empfinden – nicht zuletzt, weil sie nun auch noch ihre Partnerschaft gefährdet sehen. Inzwischen hat man diese Beschwerden zu einem Krankheitsbild zusammengefasst: HSDD (Hypoactive Sexual Desire Disorder) bezeichnet die verminderte sexuelle Lust, die zusammen mit einem seelischen Leidensdruck einhergeht.

Auch viele Frauen, die die Wechseljahre auf natürliche Weise durchleben, leiden unter mangelnder Erregbarkeit – selbst wenn sie eine Hormonersatztherapie mit Östrogen und Progesteron erhalten. Kein Wunder: Ihr sinkender Testosteronwert bleibt dabei unbehandelt. Tatsächlich kann die Gabe von Östrogenen sogar dazu führen, dass der Spiegel des verfügbaren Testosterons sinkt. Tatsächlich ist das körpereigene Testosteron aber maßgeblich an der Entstehung der weiblichen Lust beteiligt. Eine großangelegte Vergleichsstudie hat nun gezeigt, wie Abhilfe möglich wäre. Die Cochrane Collaboration, eine unabhängige Organisation, die sich um die wissenschaftliche Beweisführung von medizinischen Forschungsergebnissen bemüht, wertete dazu die Daten von 23 internationalen Studien mit insgesamt 1900 Teilnehmerinnen aus.

Verglichen wurden die Daten von Frauen in den Wechseljahren, die an einer konventionellen Hormonersatztherapie teilnahmen. Zusätzlich bekamen die Frauen über sechs Monate hinweg auch noch geringe Dosen von Testosteron (1,25 bis 2,5 mg) verabreicht. Ergebnis: Ihre Lustfähigkeit und ihre sexuelle Erregbarkeit konnten deutlich verbessert werden.

Frauen, die nach einer Totaloperation unter mangelnder sexueller Lust leiden, sollen nun von diesen neuen Erkenntnissen profitieren: Seit Frühjahr 2007 gibt es das erste Testosteronmedikament, speziell für Frauen in der chirurgisch bedingten Menopause. Es handelt sich um ein dünnes, durchsichtiges Pflaster, das am Unterbauch angebracht und alle drei bis vier Tage gewechselt wird. Es enthält Testosteron, das identisch mit dem körpereigenen Testosteron der Frau ist und aus Pflanzen hergestellt wird.

Verabreicht wurde das Hormon auch schon zuvor: Hatte sich der Libidoverlust und der damit einhergehende Leidensdruck mehrere Monate nach der Total-OP nicht gebessert, griffen manche Ärzte zu Testosteronmedikamenten, die für Männer entwickelt worden waren. Niedrig dosierte Präparate, die genau auf die Bedürfnisse der Frau abgestimmt waren, gab es nicht. Mit dem neuen, genau zugeschnittenen Präparat dürfte sich nun auch die Häufigkeit der Verschreibungen erhöhen, denn HSDD ist ein weit verbreitetes Phänomen. Immerhin sind weltweit rund sechs Millionen Frauen von einer chirurgischen Menopause betroffen.

Ob bald auch andere Frauen, die in den Wechseljahren unter Libidoverlust leiden, von dem neuen Testosteronpräparat profitieren werden, ist noch ungewiss. Auf jeden Fall wird das Pflaster bis auf weiteres nur zusammen mit einer begleitenden Östrogentherapie verordnet. Es existieren nicht genug Studien darüber, wie Testosteron allein gegeben wirkt.


Testosteron: Auch Frauen brauchen das „Männerhormon“

Oft wird Testosteron als „männliches“ Sexualhormon bezeichnet. Tatsächlich wird es aber – wenn auch in kleineren Mengen – auch von Frauen produziert und zwar vor allem in den Eierstöcken und den Nebennieren. Testosteron ist entscheidend für das weibliche Lustempfinden mitverantwortlich. In den Wechseljahren nimmt der Spiegel im Blut allmählich um bis zu 80 Prozent ab. Wird einer Frau die Gebärmutter entfernt, sinkt ihr Testosteronspiegel binnen vier Tagen um fast 30 Prozent ab. Verliert sie außerdem beide Eierstöcke, liegt der Wert sogar bei etwa 50 Prozent.

Libidoverlust nach der Totaloperation: So ist Hilfe möglich

Eine Entfernung von Gebärmutter und/oder der Eierstöcke ist für keine Frau leicht zu verkraften. Sie löst die so genannte „chirurgisch bedingte Menopause“ aus. Das heißt: Es bleibt von nun an nicht nur die Regelblutung aus, sondern es ist auch eine enorme hormonelle Umstellung zu verkraften. Diese physische und psychische Belastung führt oft zu einem Nachlassen der Libido. Kurzfristig ist dies ein normaler Effekt.

Frauen, die unter den Folgen einer chirurgisch bedingten Menopause leiden, sollten dennoch nicht zögern, ihren Frauenarzt darauf anzusprechen. Eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen ist nach Totaloperationen mittlerweile üblich. Kommt die Lust dennoch nicht zurück, kann der Arzt darüber hinaus Testosteron verordnen. Ein dünnes, Testosteron haltiges Pflaster wird am Unterbauch aufgeklebt. Das Hormon gelangt über die Haut direkt in die Blutbahn. Der Vorteil gegenüber Tabletten: Weil die Erstverstoffwechselung in der Leber umgangen wird, ist eine besonders niedrige Dosierung möglich. Die Dosis von 300 Mikrogramm entspricht in etwa der Testosteronmenge, die eine Frau vor der Menopause selbst produziert. Nach etwa einem Monat stellte die Mehrzahl der Anwenderinnen eine deutliche Verstärkung ihres sexuellen Verlangens fest.

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