Reiselust


Heldinnen von heute

Die Fotografin Bettina Rheims und der Bildhauer Eric Fischl ermöglichen in einer Hannoveraner Ausstellung völlig unterschiedliche Blicke auf den menschlichen Körper

Das kann es nur in Frankreich geben: Spätestens seit sie 1995 das offizielle Porträt von Staatspräsident Jacques Chirac aufnahm, ist die Pariser Künstlerin Bettina Rheims in ganz Frankreich bekannt. Doch die Wahl der Fotografin war eine reichlich ungewöhnliche. Rheims ist eine Meisterin der weiblichen Aktfotografie, ihr Werk ist seit jeher geprägt von erotischen und provokativen Themen. Sie fotografierte junge Prostituierte und Transsexuelle, Jesus verfrachtete sie auf ihren Bildern in die Psychiatrie. Man stelle sich vor, Helmut Kohl habe für sein Gemälde in der Ahnengalerie des Kanzleramtes einen Künstler mit dieser Vorgeschichte bestellt! Der Skandal wäre perfekt gewesen.

Zusammen mit Skulpturen des amerikanischen Künstlers Eric Fischl bringt eine Ausstellung der Kestnergesellschaft in Hannover Bettina Rheims jetzt auch dem deutschen Publikum näher. Im Zentrum steht dabei ihre Fotoserie „Héroines“: großformatige, erotische Aufnahmen von Schauspielerinnen und Models. Darunter befinden sich so prominente Namen wie Milla Jovovich, Laetitia Casta oder Tilda Swinton. Häufig tragen die „Heldinnen“ neueste Kreationen der berühmten Pariser Modemacher, doch die hellen Stoffe entblößen mehr, als sie verhüllen.

Die Aufnahmen schwanken zwischen Akt- und Modefotografie, sie hinterfragen klassische Heldenbilder und wirken der perfekten Inszenierung zum Trotz ungekünstelt, fast schon roh. Die Frauen auf den Fotos blicken den Betrachter an, und der muss sich selber ein Bild daraus machen. Vielleicht muss man wissen, dass Bettina Rheims vor ihrer Karriere als Fotografin selber als Model gearbeitet hat, um ihre Aufnahmen zu verstehen. Auf jeden Fall gilt: Wer bekannte Gesichter einmal ganz anders als im Kino oder auf den Laufsteg-Fotos sehen will, der wird in Hannover fündig.

Ungewöhnlich ist auch der zweite Künstler der Ausstellung, Eric Fischl. Der in New York lebende Maler, Bildhauer und Fotograf ist in Hannover mit 14 Bronzeskulpturen vertreten, die noch nie öffentlich gezeigt wurden. Auch Fischl stellt den nackten Körper und das Geflecht seiner Beziehungen in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Der Künstler selbst erklärt diesen Ansatz unter anderem mit seiner Biografie: Als er wenige Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm von New York in die Vorstadt nach Long Island. Die Suburbs sollten kinderfreundlicher sein als die Großstadt. Doch Fischl erlebte die endlosen Reihen der Einfamilienhäuser als eine Welt, in der nur die Fassade zählte, während sich dahinter zerrüttete Familienverhältnisse und eine unterdrückte, gestörte Sexualität verbargen.

Fischls Skulpturen sind sich windende, grotesk verformte oder fallende Körper, massiv und doch unsicher. Manchmal sieht das aus wie modernes Tanztheater, manchmal wie ein zuckender Anfall. Die Bronzefiguren sind genauso groß wie echte Menschen – ein unheimlicher Effekt: Unwillkürlich setzt sich der Betrachter mit dem Kunstwerk in Beziehung, vergleicht mit sich selber oder streitet jede Ähnlichkeit ab. Dazu lässt der Künstler seine Skulpturen mit Zeichnungen und Fotos in einen Dialog treten, die den Schaffensprozess begleitet haben. Die dreidimensionalen Bronzen und ihre schemenhafte Abbildung auf dem Papier ergänzen sich und ergeben am Ende mehr als die Summe der Teile. Das gilt auch für die beiden Künstler der Ausstellung. Bettina Rheims und Eric Fischl, die Französin und der Amerikaner, ermöglichen mit völlig unterschiedlichen Zugängen einen Blick auf ein Thema, das so alt ist wie die Kunstgeschichte selbst: den menschlichen Körper. Und der ist so aktuell wie eh und je.

Bettina Rheims & Eric Fischl

30. November 2007 bis 3. Februar 2008

Kestnergesellschaft

Goseriede 11, 30159 Hannover

Fon +49 511 70120 0

Öffnungszeiten: täglich 10–19 Uhr, Donnerstag 10–21 Uhr,

Montag geschlossen, Feiertage 10–19 Uhr

Eintritt: Einzelticket 5 €, ermäßigt 2,50 €

Einzelticket für Ausstellungseröffnungen 8 €

  • Unterstützen Sie uns

    Möchten Sie unsere Arbeit mit einem Geldbetrag unterstützen?
    Unsere Beratung und Infomaterialien sind für alle kostenlos. Ihre Spende hilft, dass das so bleibt.
    Spenden Sie 10,- , 15,- oder 25,-  Euro, damit wir unsere Arbeit fortsetzen können.
    Natürlich können Sie auch einen individuellen Betrag spenden.
    Vielen Dank!

  • Newsletter abonnieren
  • Magazin

Facharztsuche

Suchen Sie einen Facharzt in Ihrer Nähe?

Postleitzahl

Bitte wählen Sie eine Facharztrichtung