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Die Softie-Strategie

Männer brüllen, Frauen beschwichtigen - vor allem wenn es stressig wird. Dass dieses Klischee nicht stimmt, zeigt eine Untersuchung...

Morgens, acht Uhr, Stadtmitte: Dicke Autoschlangen wälzen sich auf den Straßen. Die Ampel schaltet auf Grün, doch der schwarze Golf steht. Der SUV-Fahrer hinter ihm hupt, gestikuliert und hupt noch einmal anhaltend. Endlich rollt der Golf los, langsam. Der Anzugträger im Geländewagen haut sich mit der flachen Hand auf die Stirn und verzieht sein Gesicht zu einer schreienden Fratze. Durch das Fenster ist sein Brüllen nicht zu hören. Nur ein erneuter Hupton durchschneidet die Luft.


Eine typische Situation? Seit 100 Jahren gilt die Annahme, dass Säugetiere bzw. Menschen  in Stresssituationen nur zwei Möglichkeiten haben - kämpfen oder weglaufen. Vor allem Männer folgen dem ersten Verhaltensschema: Sobald sie sich bedroht fühlen, brüllen sie rum und machen ihr Gegenüber zur Schnecke - soweit das gängige Klischee.


Ein Team von Psychologen und Neurowissenschaftler der Universität Freiburg hat diese Annahme nun widerlegt. "Tatsächlich zeigen auch Männer eine alternative Strategie zur Stressbewältigung. Anstatt aggressiv zu werden, suchen sie die Nähe zu ihren Mitmenschen", so Studienleiter Markus Heinrichs im Gespräch mit NetDoktor.de. Bislang waren nur Frauen bekannt dafür, dass sie sich in brenzligen Situationen besonders sozial gegenüber ihren Mitmenschen verhalten - und dadurch den Stress besser bewältigen.


Rechenprobe unter Zeitdruck
Für die Untersuchung mussten 34 männliche Studenten anspruchsvolle Rechenaufgaben unter Zeitdruck lösen und einen Text vor Publikum vortragen. Eine weitere Gruppe aus 33 jungen Männern diente als Kontrollgruppe, die weitaus weniger stressige Herausforderungen zu erfüllen hatte. Um das Stressniveau zu ermitteln, entnahmen die Wissenschaftler Speichelproben der Probanden und bestimmten den darin enthaltenen Anteil des Stresshormons Kortisol. Kortisol wird in der Nebennierenrinde hergestellt und bei Stress vermehrt freigesetzt.


Vertrauen oder bestrafen?

Unmittelbar nachdem sie die Aufgaben absolviert hatten, testeten die Forscher das Verhalten der Versuchspersonen mithilfe verschiedener Spiele. Damit untersuchten sie zum einen, inwiefern Stress das positive Sozialverhalten verändert, also die Bereitschaft anderen zu vertrauen und mit anderen zu teilen. In einem weiteren Test konnten die Probanden ihren Spielpartner für unfaires Verhalten bestrafen. Das zeigte den Wissenschaftlern, ob Stress die antisozialen Tendenzen der Männer verstärkt.


Gestresste Männer sind sozialer

Wie das Team um Heinrichs herausfand, verhielten sich die gestressten Männer deutlich sozialer: Im Vergleich zu den entspannten Probanden teilten sie mehr. Nur im Bestrafungstest gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen. "Um das gängige Vorurteil der aggressiven Männer zu bestätigen, hätten die unter Druck stehenden Probanden hier ein deutlich negativeres Verhalten an den Tag legen und ihre Spielpartner vermehrt bestrafen müssen", erklärt Heinrichs. Ein weiterer Hinweis also, dass nicht nur Frauen durch positives Sozialverhalten Stressreaktionen abpuffern.


Soziale Nähe als Stresspuffer

Die Softie-Strategie bringt demnach viele Vorteile. Denn wer unter Druck nur rumbrüllt, vergrault nicht nur seine Mitmenschen und schafft schlechte Stimmung - die zusätzlich Stress erzeugt. Er sorgt auch dafür, dass der eigene Körper weniger schnell entspannt.
Vermutlich spielt das als Kuschel- und Bindungshormon bekannte Oxytocin eine Rolle für diese alternative Taktik der Stressbewältigung. "Oxytocin ist enorm wichtig für ein positives Sozialverhalten. Man weiß zum Beispiel, dass das Hormon in stressigen Situationen vermehrt ausgeschüttet wird", so Heinrichs. Studien hätten zudem gezeigt, dass soziale Nähe tatsächlich ein gutes Anti-Stress-Mittel ist. Männer zum Beispiel, die vor einem Stresstest nur zehn Minuten mit einer ihnen vertrauten weiblichen Person zusammen waren, zeigten sich ganze 60 Minuten gegenüber stressigen Einflüssen resistent.
"Selbst wenn viele Männer Stress als Entschuldigung sehen, um ihre Frustration an anderen abzulassen - biologisch gesehen gibt es dafür keinen Legitimation", weiß Heinrichs. Bei Affen zumindest ist es oft so, dass diejenigen mit dem besten sozialen Netzwerk die Alphatierchen sind - und nicht die aggressivsten und stärksten. (Autorin: Kathrin Rothfischer; Quelle: netdoktor.de)


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