Der makellose Körper

Der makellose Körper

Früher galt besonders viel Brusthaar noch als männlich: Doch der Trend zur Enthaarung des Körpers ist inzwischen auch bei den Herren der Schöpfung angekommen

Vor einigen Jahren gab es im Kino die Komödie „Was Frauen wollen“ zu sehen. Mel Gibson, eigentlich eher für Actionfilme bekannt, spielte darin den stellvertretenden Leiter einer Werbeagentur. Als eines Tages unerwartet eine Frau zur Chefin befördert wird, gibt sie ihm ein ganzes Set von Kosmetikartikeln nach Hause mit: Der Macho Gibson soll sich besser in die Psyche der Frau einfühlen. Daraufhin enthaart der sich mit Wachs die Beine, schreit vor Schmerz auf und stöhnt: „Ich kann nicht glauben, dass Frauen sich das regelmäßig antun!“

Seitdem ist einiges passiert. Denn der Trend ist unübersehbar: Auch die Männer enthaaren sich inzwischen regelmäßig den Körper. Das gilt besonders für das Achselhaar, die Schulter- und Brustpartie sowie in zunehmendem Maße auch für die Intimbehaarung. Dabei ist der Wunsch nach einem makellosen Körper gerade bei jungen Männern am ausgeprägtesten. Im November vergangenen Jahres stellte eine Studie der Universität Leipzig fest, dass fast 80 Prozent der männlichen Studenten regelmäßig mindestens eine Körperregion enthaaren.

Dabei galt bis in die 1990er-Jahre hinein gerade möglichst viel Brusthaar als ausgesprochen männlich. Die Hühnerbrust, heute das neue Schönheitsideal, war damals fast schon ein Schimpfwort. Die Behaarung, ein Überbleibsel der evolutionären Entwicklung des Menschen, betonte gewissermaßen das Tierische, Animalische des Mannes. Während bei den Frauen bereits das amerikanische Körperbild nach Europa hinüberschwappte und eine schnell wachsende Industrie die Nachfrage nach Damenrasierern, Epilliergeräten und Wachs-Präparaten stillte, blieb bei den Männern vorläufig alles beim Alten. Wenn bei ihnen etwas rasiert wurde, dann war das höchstens der Dreitagebart.

Vorreiter der aktuellen Entwicklung waren vor allem Sportler, Bodybuilder, Schauspieler, Homosexuelle und Models. Die Werbung übernahm das neue Schönheitsideal des Mannes, das auch unter dem Schlagwort „metrosexuell“ bekannt wurde: Es entstand ein feminineres Körperbild des Mannes, das mit der Aufweichung der klassischen Geschlechterrollen in Erziehung und Erwerbsleben einherging. Die junge, enthaarte Männergeneration steht insofern durchaus in Zusammenhang mit etwa dem Elterngeld für Väter.

Allerdings birgt der Trend auch gewisse Risiken. Die Körperbehaarung des Menschen ist schließlich nicht ohne Sinn und Zweck. Sie dient als Puffer gerade dort, wo sonst Haut ungeschützt aufeinander treffen würde. Gerade im empfindlichen Intimbereich kann eine übertriebene Rasur zu Entzündungen und schmerzhaften Reizungen führen.

Heute wird in zahlreichen Praxen mittels Laserbehandlung bereits eine dauerhafte Haarentfernung angeboten. Zwar steckt die Technik erst in den Anfängen, aber vermutlich wird sie den Trend weiter beschleunigen. Und je mehr Männer ihre Körperhaare entfernen, desto mehr werden in Versuchung geraten, es ihnen gleich zu tun. Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens, dass der Roman „Feuchtgebiete“ der Autorin Charlotte Roche – immerhin das mit Abstand erfolgreichste Buch des Jahres 2008 – ein Plädoyer für die Körperbehaarung enthielt. Ob es etwas bewirkt hat, wird die diesjährige Freibadsaison zeigen.

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