Titelthema

 

„Ich empfehle, das Problem offensiv anzugehen“

 

Erektionsstörungen führen in der Beziehung zu ernsten Konflikten. „Liebe hält gesund“ hat mit dem ISG-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Ulrich Wetterauer über Lösungsmöglichkeiten gesprochen

 

Liebe hält gesund: Was sind die häufigsten Folgen von Erektionsstörungen für die Partnerschaft?

Prof. Dr. Wetterauer: Die erektile Dysfunktion ist eine Krankheit, die erhebliche Auswirkungen auf die Psyche und das sexuelle Verhalten des Mannes hat. In den Mittelpunkt rückt dann die gestörte Erektion, was oft die Partnerin aus dem Fokus nimmt. Männer mit Erektionsstörungen ziehen sich aufgrund dieses körperlichen Defekts zurück, statt Kommunikation und gemeinsamen Erlebens mit der Partnerin machen sich Sprachlosigkeit und Schuldzuweisungen breit.

 

Bedeutet ein Rückzug aus der Sexualität auch einen Rückzug aus der Beziehung?

Ja, häufig. Oft wird Sexualität vermieden, weil man sich nicht der Situation des Versagens aussetzen will. Sexualität aber ist mehr als der reine Geschlechtsverkehr. Zur Sexualität gehören Zuneigung, Zärtlichkeit und sexuelle Anziehungskraft – Gefühle, die in erster Linie nicht unbedingt mit der Ausübung des Geschlechtsverkehrs verbunden sind, sondern eher dazu führen können. Die Angst von Männern mit Erektionsstörungen besteht darin, dass nach dem ersten Schritt – Zuneigung und Austausch von Zärtlichkeiten – von ihnen mehr erwartet werden könnte: Nämlich in dem Bereich, in dem sie ihre Defizite vermuten oder erwarten.

 

Welche Rolle spielt die Partnerin bei der Behandlung eines Mannes mit Potenzproblemen?

Die Einbindung der Partnerin bei der Behandlung einer sexuellen Störung ist meiner Meinung nach besonders wichtig. Dabei gibt es aber einen besonderen Aspekt: Der Mann empfindet, dass lediglich er krank ist und nicht seine Frau. Die Partnerschaft kränkelt nicht, sondern er hat ein körperliches Defizit, was er behandelt haben möchte. Von diesen Männern wird die Einbindung der Partnerin nicht akzeptiert.

 

Mit welchen Argumenten lässt sich diese Haltung überwinden?

Wenn die Partnerin in den Prozess der Abklärung und der Behandlung eingebunden wird, dann können beide Partner alles zu Hause besprechen – und jeder ist auf demselben Informationsstand. Bei einer Erektionsstörung bewirkt die Tablette allein überhaupt nichts. Die Tablette wirkt nur, wenn eine sexuelle Stimulation hinzukommt. Das bedeutet, dass der Mann das nicht alleine mit sich ausmachen kann. Daher denke ich, dass es sinnvoll wäre, die Partnerin in die Gespräche mit einzubeziehen.

 

Sind Erektionsstörungen im Bewusstsein der Männer also immer noch ein Tabuthema?

Die Erektile Dysfunktion ist nach wie vor ein Tabuthema. Die Pressekampagnen zu den Potenzmitteln waren äußerst wichtig, um das Thema in das Bewusstsein der Allgemeinheit zu bringen. Trotz des offensiven Umgangs in der Presse und in Gesprächen kommen viele Betroffene nicht aus ihrer Isolation heraus. Es gibt nach wie vor Männer, die ein Problem damit haben, dass heute vieles, was früher unausgesprochen blieb, beim Namen genannt wird. Jetzt kommt die zusätzliche Angst auf, dass die Partnerin informiert ist und das Gespräch darüber sucht, obwohl man gar nicht darüber sprechen möchte. Es werden auch viel mehr Vergleiche angestellt: Was ist normal in der Sexualität? Insgesamt ist die offene Berichterstattung als sehr positiv zu bewerten, aber für den einzelnen Betroffenen ist sie möglicherweise nicht immer hilfreich.

 

Was würden Sie Männern mit einer Erektilen Dysfunktion raten?

Ich würde empfehlen, das Problem offensiv anzugehen. Es gibt wirksame Behandlungsmöglichkeiten, nutzen Sie diese. Sie und Ihre Partnerschaft werden davon profitieren. Wenn die Erektion nachlässt und es in der Partnerschaft zum Thema wird, dann nutzen Sie die angebotenen Hilfsmittel so selbstverständlich, wie Sie eine Brille oder ein Hörgerät benutzen würden, um Ihre Lebensqualität auch im Alter zu behalten.

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